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  • AutorenbildCornelia Härtl

Wie man einen Roman über eine historische Persönlichkeit schreibt

Habt ihr euch auch schon manchmal gefragt, wie man es schafft, einen packenden Roman über eine Figur zu schreiben, die tatsächlich gelebt hat? Wie das geht, historisch Verbrieftes und Fiktives zu kombinieren? Ich war neugierig und habe eine Autorin gefragt, die es wissen muss. Bhavya Heubisch erzählte mir im Interview, wie sie sich ihrer Figur, der skandalumwitterten Adele Spitzeder, genähert hat.


Liebe Bhavya,


im November 2020 erschien dein Roman „Das süße Gift des Geldes“. Eine historisch belegte Geschichte um die Schauspielerin Adele Spitzeder, die um 1868 mit ihren spektakulären Geldgeschäften in München begann. Erzähle uns doch kurz, wie du zu der Idee kamst, wie du beim Schreiben vorgegangen bist und was dich an deiner Hauptfigur besonders fasziniert.


Der Name Adele Spitzeder taucht sporadisch immer wieder in Münchner Zeitungen auf. Dargestellt wird sie meist als Hochstaplerin und Betrügerin. Ich habe mir die Frage gestellt: Wie konnte Adele solch durchschlagenden Erfolg erringen und innerhalb kürzester Zeit zu einer der reichsten Frauen Bayerns werden? Und war sie wirklich eine Betrügerin?

So habe ich begonnen, in der Münchner Staatsbibliothek, im Bayerischen Hauptstaatsarchiv, der Monacensia, in zeitgenössischen Zeitungen zu recherchieren und ihre Memoiren zu lesen. Die Idee, einen Roman über Adele Spitzeder zu schreiben, war geboren.


Was mich an Adele Spitzeder fasziniert? Dass sie eine eigenwillige Frau mit vielen Facetten war. Wegen ihrer zahlreichen Spenden, der Patenschaften für mittellose Kinder und ihrer Volksküche, in der Menschen für wenig Geld gut und billig essen konnten, wurde sie von vielen als „Engel der Armen“ verehrt. Wegen ihrer lukrativen Geldgeschäfte in der Schönfeldstraße Münchens, galt sie zahlreichen Bürgern jedoch als schamlose Betrügerin. Was also stimmte? Dem wollte ich in meinem Buch nachgehen.


Hat ihr die Tatsache, dass sie eine Schauspielerin war, bei ihrer Geschäftsidee geholfen? Oder war es der alte Grundsatz „Gier frisst Verstand“?

Adele war eine recht erfolgreiche Schauspielerin, doch durch ihren aufwändigen Lebensstil und den sorglosen Umgang mit Geld, war sie ständig pleite. Und so kam sie auf der Flucht vor dem Gerichtsvollzieher völlig mittellos in München an. Ihr werden ein charismatisches Auftreten und große Überzeugungskraft nachgesagt. Ob es an ihrem Beruf als Schauspielerin lag, kann ich nicht sagen. Auf die Idee, sich Geld zu leihen, dafür überhöhte Zinsen zu zahlen und die anstehenden Forderungen durch neu zufließende Gelder zu begleichen, kam sie mehr durch Zufall. Sie hatte keinen Plan, doch da es so gut funktionierte, hat sie bedenkenlos so lange weitergemacht, bis sie maßlos überschuldet war.


Um das Phänomen Adele Spitzeder zu verstehen, muss man die sozialen Missstände in Münchens sogenannter Gründerzeit berücksichtigen. München boomte, Fabriken und Banken schossen aus dem Boden. Unzählige Menschen strömten mit der Hoffnung auf ein besseres Auskommen in die Stadt. Doch dort mussten sie für wenig Geld als Arbeiter oder Tagelöhner schuften, fanden keine Unterkunft, Hunger, Krankheit und Elend grassierten.

Als sich wie ein Lauffeuer herumsprach, dass die Spitzederin auch für wenige Gulden oder Kreuzer gute Zinsen zahlte, strömten täglich Hunderte der „kleinen Leute“ in die Schönfeldstraße, um ihre mageren Ersparnisse aufzubessern. Hinzu kam die Gier vermögender Anleger, bei der Spitzeder ihr Kapital zu vermehren, da wesentlich höhere Zinsen als die etablierten Banken bot. Den Behörden und etablierten Geldinstituten missfiel dieses Treiben und sie ließen nicht ab, Adele zu Fall zu bringen.

War sie eine Betrügerin? Fakt ist, dass durch Adele Spitzeder Tausende von Anleger ihr Geld verloren, unzählige Menschen in den Ruin getrieben wurden. Doch da sie nie Sicherheiten für die bei ihr angelegten Gelder versprochen hatte, konnte ihr Betrug im eigentlichen Sinne nicht nachgewiesen werden. Verurteilt wurde sich wegen betrügerischen Bankrotts, sprich wegen massiver Überschuldung.


Ein Roman über eine historische Persönlichkeit beinhaltet nicht nur Verbrieftes, sondern auch Fiktives. Wie hast du das in „Das süße Gift des Geldes“ erarbeitet? Wo und wie trennt man Roman und Tatsachenbericht?

Die Ergebnisse meiner umfangreichen Recherche finden sich in der Handlung meines Romans, die die sozialen Missstände der damaligen Zeit wiedergibt. Um dies bildhaft darzustellen und „Infodumping“ zu vermeiden, habe ich, neben der Beschreibung historischer Tatsachen, fiktive Figuren entwickelt, die diese Missstände deutlich machen.


Historische Romane bedingen stets auch umfangreiche Recherchen. Ein notwendiger Teil deiner Arbeit oder großer Spaß?

Mit großer Begeisterung habe ich historische Bücher, alte Dokumente und Zeitungen durchforstet und dabei viel über die damalige Zeit gelernt. Die Herausforderung bestand darin, nur für die Handlung Wesentliches in meinen Roman einfließen zu lassen und schweren Herzens Unwesentliches zu streichen. Gerne hätte ich mehr über das München der damaligen Zeit geschrieben, doch das hätte den Rahmen der Geschichte gesprengt.


Schreibst du alleine oder hast du eine Gruppe von Menschen, mit denen du dich

Bhavya Heubisch, Autorin aus München
Bhavya Heubisch. Foto: B. Hornecker

während des Prozesses austauschst?

Ich schreibe meist allein, hatte aber auch eine Schreibgruppe, in der wir unsere Romanentwürfe besprochen haben.


Einen besonderen Charme deines Buches macht die Sprache aus. Man hört regelrecht das Münchnerische beim Lesen und du widmest dich auch gerne den Menschen deiner Stadt. Was macht für dich als Schriftstellerin das Besondere an München aus?

Die bairische Sprache mit ihren zahlreichen Eigenheiten hat es mir angetan. In meinem Roman wollte ich den bairischen Sprachduktus wiedergeben, ohne im Dialekt zu schreiben.

Das Besondere an München sind für mich die Menschen und die Traditionen, die bis heute gepflegt werden. Auch wenn vieles der Modernisierung zum Opfer gefallen ist, besitzt München für mich immer noch einen ganz eigenen Charme.


Herzlichen Dank!


Liebe Cornelia, es hat mir viel Freude gemacht, deine Fragen zu beantworten. Vielen Dank für das Interview.


Über mich

Die Geschichte Münchens und die Menschen, die in der Stadt leben und lebten, faszinieren mich. Auch in meinem nächsten historischen Roman, er spielt um 1800, habe ich mich intensiv mit historischen Hintergründen befasst und arbeite sie in eine Romanhandlung ein.


Mehr über Bhavya Heubisch, die als Übersetzerin, Dolmetscherin und Autorin in München lebt und arbeitet, erfahrt ihr auf ihrer Webseite.


Bhavya Heubisch: Das süße Gift des Geldes. Roman, Volk Verlag November 2020.

ISBN: 978-3-86222-353-4

Auch als e-book erhältlich.

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